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Wendezeit. Die deutsche Einheit im Spiegel von Künstlerbüchern aus der Sammlung Reinhard Grüner (Regensburg)
Staatliche Bibliothek Regensburg
26.02.2014 - 26.04.2014


30 Einträge (sortiert nach Künstler)
Seite 3 von 5

Ergebnisseiten:
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Autor 141Jendryschik, Manfred
TitelStraßentage. TagebuchSeiten
OrtOhne Ort (Leipzig)
LandDeutschland
Jahr1992
Editionedition m
KünstlerHirsch, Karl-Georg
TechnikHolzschnitte (3 ganzseitig, 2 doppelseitig, farbig)
Ausstattung59 S., 25,4 x 16,9 cm, Blockbuch, mit Holzschnitt bedruckter Pappband im Pergaminumschlag, im Impressum vom Autor und Künstler signiert (Kästner A 80.1.), 2. Buch "Signum" der edition m.
Auflage25/150 (+ 30 römisch nummerierte Belegexemplare)
AnmerkungenDie Tagebucheinträge dieses Künstlerbuches gehen vom 15.09. bis zum 30.12.1989 und beschreiben teilweise sehr ironisch die Umbruchsphase der "Da Da eR" (S. 16):

"Der Hintergrund
: Warum brüllt der Parteisekretär so, wenn er redet?
: Vielleicht, um sich Mut zu machen.
: Gegen wen?
: Die Wirklichkeit, denke ich."
(19.10.1989, S. 36)

Der letzte Text des Buches ("Aus dem Poesiealbum des Volkes") stammt aus den achtziger Jahren:

"Die sechs Wunder:

1. Obwohl in der DDR nicht gestreikt wird, arbeitet niemand.
2. Obwohl niemand arbeitet, werden unsere Pläne ständig übererfüllt.
3. Obwohl die Pläne übererfüllt werden, gibt es nichts zu kaufen.
4. Obwohl es nichts zu kaufen gibt, haben alle alles.
5. Obwohl alle alles haben, sind alle unzufrieden.
6. Obwohl alle unzufrieden sind, lieben wir unsere Republik." (S. 59)


 
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Autor 605Müller, Frank
TitelZeit entsteht. Texte und Bilder. Leipzig, München, Nürnberg. 1981-2001
OrtMünchen
LandDeutschland
Jahr2011
Editionedition.müllerwerk
KünstlerMüller, Frank
TechnikAbreibung (fossiler Fund), Zeichnung, Digitaldruck/Collage, Fotografie, Acryl/Tusche, Scan
AusstattungNicht paginiert, 20 x 22,2 cm, Pappband, Japanbindung, auf dem vorderen Buchdeckel die Worte "ZEIT" (als Perforation, die sich auf den ersten beiden Blättern des Buches fortsetzt) und "ENTSTEHT" (gestempelt), im Impressum signiert, Auflage 15 ohne Angabe der einzelnen Nummer
AuflageKeine Nummerierung/15 Exemplare
AnmerkungenMit diesem Künstlerbuch schließt Frank Müller an das Buch "Keramische Arbeiten und Fahnen" aus dem Jahr 1987 an. "Die Textfragmente setzen 1988, vor dem Zusammenbruch der DDR und kurz nach dem Erscheinen des Katalogs von 1987 ein. Sie enden 2001 mit der Arbeit für das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Die letzte Aufzeichnung reicht zurück ins Jahr 1981 und berichtet von einem verbotenen Buch." (aus dem Impressum)

Frank Müller wurde 1988, fünf Jahre nach seinem Antrag auf Ausreise, ausgebürgert. Er musste mit seiner Familie innerhalb von sechs Stunden die DDR verlassen (Teil I Text). In seinen Texten bezieht er sich vor allem auf die totalitären Strukturen des Dritten Reiches und der DDR: Er hat 1995 die Möglichkeit, die München eingelagerte Sammlung von Propagandakunst aus der NS-Zeit zu besichtigen (Teil III Text). 2000 beginnt er seine Arbeit für die Gestaltung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg (Teil V Text, Teil VII Text). Bei dem "verbotenen Buch" (Teil XI Text) handelt es sich um Wolfgang Leonhards 1955 erschienenes "Die Revolution entläßt ihre Kinder", dessen Besitz in der DDR extrem gefährlich war. "Dieses Buch offenbarte wie kein anderes die fehlende Legitimation und Geschichtsfälschung der DDR-Führung." (aus der Anmerkung zu Teil XI Text) Müller erwähnt auch, dass er seine Belege systemkritischer Künstlerbücher "in einem Anfall von Verfolgungsangst 1985 vernichtete" (aus der Anmerkung zu Teil XI Text).

Bei den künstlerischen Arbeiten handelt es sich zum einen um die Abreibung eines fossilen Funds auf Solnhofener Schiefer. Solnhofen war der erste westdeutsche Ort, den der Künstler bei seiner Ausbürgerung sah; heute hat er in einem Dorf über der Altmühl sein Atelier. Weiterhin arbeitet der Künstler mit Fotografien (badende Mädchen im Stil der 30er Jahre, Reichsparteitagsgelände, Neubau der Leipziger Universität). Im zweiten Teil des Buches bindet er Originalarbeiten aus dem Katalog "Keramische Arbeiten und Fahnen" (1987) ein.
 
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Autor 47Gerlach, Harald
TitelEinschlüsse. Aufbrüche. Blätter zu sechs Monaten deutscher Geschichte
OrtRudolstadt
LandDeutschland
Jahr1991
Editionburgart-presse
KünstlerMörstedt, Alfred Traugott
TechnikRadierungen (7, handkoloriert), Zeichnung/Collage (farbig)
AusstattungNicht paginiert (27 Bl.), 27,4 x 31,3 cm, Ganzlederband im Schuber, Nr. 3 von 20 Exemplaren der Ausgabe A mit einem handschriftlichen Gedicht des Autors ("Die Saale") und einer mehrfarbigen signierten Zeichnung/Collage des Künstlers, im Impressum von Autor und Künstler signiert, 4. Druck der burgart-presse
Auflage3/20 der Ausgabe A (Gesamtauflage 200 + 30)
AnmerkungenDieses Künstlerbuch versammelt Tagebucheinträge des Autors Harald Gerlach vom 8. Oktober 1989 bis zum 18. März 1990 und Gedichte. Sie beschreiben die Machtstrukturen der Sowjetunion und Stalins Politik ("Die von diesem sadistischen Gehirn hervorgebrachten Machtstrukturen sind das Vaterhaus des SED-Regimes" (10. Oktober 1989), die "Barbarei des Machterhalts" (17. Oktober 1989) und das Aufbegehren des Volkes ("Die Provinz probt ihren Aufstand. Die privilegierten Statthalter der Zentralgewalt stammeln ratlos Ausflüchte. Erstmals fehlen die triumphalen Floskeln von ihrer historischen Mission. Haben sie begriffen, daß ihre Stunden gezählt sind?" (24. Oktober 1989). Das Buch schließt mit einem fragenden Blick in die Zukunft: "Das Volk geht zur Urne. Es will seine Vergangenheit zu Grabe tragen./Eine neue Übergangsgesellschaft./Auf dem Markt wird Erdinger Weißbier ausgeschenkt. Die Vorhut der/neuen Zeit ist da: die Händler./Werden die Gründer folgen?/Und die Priester, was bringen sie?/ ..." (18. März 1990)

Die handkolorierten Radierungen Mörstedts nehmen keinen direkten Bezug auf die Tagebucheintragungen, sondern bilden zumeist abstrakte Strukturen ab, denen die Kolorierung von Hand eine ungeahnte Tiefe verleiht. Mit seiner künstlerischen Position, die im Gegensatz zum offiziellen sozialistischen Realismus stand, übte er Widerstand gegen die Kulturpolitik der DDR. Unter diesem Aspekt ergänzen und erweitern seine sensiblen Grafiken die Tagebucheinträge und Gedichte Gerlachs.

Beiliegend eine weitere handkolorierte Radierung von Mörstedt (nicht zum Buch gehörend), nummeriert (39/40), betitelt "In Erwartung", signiert und datiert "84", die Verlagsankündigung zum Buch aus dem Katalog des Jahres 1995 und ein Ausschnitt aus dem Katalog des Antiquariats Lehr mit Angaben zum Buch.
 Bilder Mörstedt, Alfred TraugottBilder Mörstedt, Alfred TraugottBilder Mörstedt, Alfred Traugott
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Autor 42Henkel, Jens/Barthel, Gunar (Hrsg.)
TitelReflexionen I: Alfred Traugott Mörstedt
OrtKarl-Marx-Stadt (Chemnitz)
LandDeutschland
Jahr1985
EditionEdition Galerie oben
KünstlerMörstedt, Alfred Traugott
TechnikRadierungen (5, davon 4 handkoloriert)
Ausstattung12 Blatt, 21,2 x 22,3 cm, illustrierter Pappband, 1. Band der Reihe "Reflexionen", die vier handkolorierten Radierungen handschriftlich nummeriert, betitelt, signiert und datiert
Auflage70/100 (+ 30 Künstler- und Verlegerexemplare)
AnmerkungenDie zehnbändige Reihe "Reflexionen" ist die einzige Künstlerbuchreihe, die in der DDR entstand und in der Bundesrepublik Deutschland zu Ende geführt wurde: Der erste Band erschien 1985 in Karl-Marx-Stadt und der zehnte 1997 in Chemnitz (bis 1990: Karl-Marx-Stadt). Prinzip der Bände war, dass ein Künstler Text und Bild seines jeweiligen Bandes gestaltete.
Der handschriftlich wiedergegebene Text Mörstedts beschäftigt sich mit der Rolle der Kunst. Für ihn steht sie über den Dingen seiner Welt. "Sie ist erhaben über Gut und Böse, wie die Natur selbst. ... Die Tage mit ihren Forderungen kommen und gehen, uns bleibt ein Universum, die Kunst ..." (aus dem Text). Mit dieser Auffassung steht der Künstler abseits des sozialistischen Realismus. Im Text "AUTOBIOGRAPHISCHES" am Ende des Bandes weist er darauf hin. Hier einige Auszüge:

"1935 Schwierigkeiten durch den Jugendverband ...
1955 Schwierigkeiten mit dem Realismusbegriff ...
1965 Halbtot vor Gram ...
1975 Schwierigkeiten wegen Selbstdenkens ...
1985 Halbtot an der Zeit"

Sich bereits im Jahre 1985, mit 60 Jahren, dergestalt zu äußern, ist mutig und ein weiteres Beispiel für unangepasstes Denken in der Spätphase der DDR. Oder, wie es der Titel der ersten Farbgrafik nennt: "UNRUHE, SEHNSUCHT UND DAS ELEND DER MACHT".
 
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Autor 608Multerer, Gerhard
Titel"Vereinigungsdruck"
OrtFreilassing
LandDeutschland
Jahr1992
EditionMulterer, Gerhard (Selbstverlag)
KünstlerMulterer, Gerhard
TechnikAquarelle (28 + Titelblatt)
AusstattungNicht paginiert, 44,2 x 32,6 cm, Halbleinenband mit Aquarell auf Vorder- und Rückseite, jedes auf Karton kaschierte Aquarell vom Künstler signiert und datiert
AuflageUnikatbuch
AnmerkungenMulterers Aquarelle befinden sich auf Ausschnitten zeitgenössischer Zeitungen, in denen auf die untergegangene DDR immer wieder Bezug genommen wird. Viele der Bilder thematisieren das Thema "Vereinigung" aber auch als erotischen Akt. "Wiedervereinigung" ist in diesem Künstlerbuch also ambivalent und zeigt, dass der "Druck" der politischen Vereinigung auch einen intensiven emotionalen bedingt, soll die Wiedervereinigung denn gelingen.
 
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Autor 136Reith, Elvira
TitelRosa Zeiten. Markknochendrucke
OrtOhne Ort (Köln)
LandDeutschland
Jahr1991
Editionedition joint venture
KünstlerReith, Elvira
TechnikMarkknochendruck Aquarell
Ausstattung10 Blatt, aus einem DDR-Buch herausgerissen, 25,3 x 14,7 cm, Pappumschlag, die Bögen in eine Kordelbindung eingehängt, auf dem hinteren Innendeckel "edition joint venture" gestempelt und nummeriert, auf dem mittleren Bogen betitelt "rosa Zeiten", "Markknochen Druck" und signiert und datiert 1991
Auflage34/40
AnmerkungenDieses Künstlerbuch beinhaltet Textfragmente aus einem um 1989 in der DDR erschienenen Buch, das Interviews mit DDR-Bürgern zu ihrer Lebensgeschichte enthält. Interviewt werden u. a. Dora, eine Bäuerin, die viele Jahre im Kälberstall der LPG arbeitete, und der 1971 geborene Matthias, der aufgrund seiner Unangepasstheit trotz seines Prädikatsabschlusses weder Mathematik studieren durfte noch nach erfolgreicher Offsetdruckerlehre zum Abitur an der Volkshochschule zugelassen wurde. Bemerkenswert ist auch die Lebensgeschichte der Psychiaterin Erika (54 Jahre), die 1961, als die Mauer gebaut wurde, die Bundesrepublik verließ und in die DDR auswanderte.

Eine Doppelseite dieses Buchfragments wurde von der Künstlerin in schwarzer Farbe mit einem Markknochen überdruckt und mit zwei rosa Farbstreifen versehen. Die handschriftlich eingefügten Wörter "rosa Zeiten" stellen einen ironischen Kommentar auf den Umbruch 1989/1990 dar.


 
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Wendezeit. Die deutsche Einheit im Spiegel von Künstlerbüchern aus der Sammlung Reinhard Grüner (Regensburg)
30 Einträge (sortiert nach Künstler)
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