Künstlerbücher im Stadtmuseum Fürstenfeldbruck 2004
Begriff
Picasso, Matisse, Warhol und Kiefer schufen als Teil ihres Oeuvres
Künstlerbücher. Dies sind – vereinfacht gesagt – Kunstwerke, in denen der Künstler,
sehr oft in Zusammenarbeit mit einem Autor, Bild und Text in der Form des Buches zusammenführt.
Diese Art des Buches unterscheidet sich von den uns geläufigen Bilderbüchern
durch die hohe künstlerische Qualität (Originalgrafiken, unikate Zeichnungen, Collagen)
und eine anspruchsvolle Gestaltung mit aufwendigen, teilweise ungewöhnlichen Materialien.
Die Zusammenarbeit von Künstler und Autor, sehr oft unter Mitwirkung eines Editeurs,
der die Herausgabe betreut, transformiert den reinen Text auf die Ebene des ganzheitlichen Kunstwerks,
das mit allen Sinnen erfasst werden will.
Rezeption
Dem künstlerisch interessierten Publikum bleiben diese Bücher zumeist verborgen,
da sie entweder in Kleinstauflagen (zwischen 30 und 100 Exemplaren) oder als Unikate erscheinen.
Zu finden sind sie bei wenigen Privatsammlern und großen Bibliotheken,
wie der Bayerischen Staatsbibliothek München, dem British Museum, dem Victoria & Albert Museum,
der New York Public Library. Finden Ausstellungen statt, erfreuen sich diese großen Zuspruchs,
da jeder Kulturinteressierte mit der abendländischen Tradition der Kodexform des Buches
vertraut ist und sich so ohne große Umstände mit dieser Schnittstelle zwischen Literatur
und Kunst auseinander setzen kann.
Konzept der Ausstellung: chronologische Ausrichtung
Das Strukturprinzip der Ausstellung sieht die Darstellung der chronologischen Abfolge
von drei Phasen des menschlichen Lebens (Geburt/Kindheit/Jugend, Welt der Erwachsenen, Tod) vor,
von denen jede kaleidoskopartig aufgefächert wird (z.B. Schöpfung, Märchen, Spiel, Humor, Reisen,
Zeitgeschichte, Natur & Tiere, Lesen, Religion, Sinne, Gewalt & Krieg, Apokalypse, Hoffnung).
Jede dieser Stationen wird anhand geeigneter Bücher aufgezeigt.
Konzeptionelle Grundlage: offene Präsentation
Konzeptionelle Grundlage für diese Ausstellung ist der Gedanke, möglichst viele heterogene
Altersgruppen in das Museum ziehen zu wollen. So wird die thematische Präsentation offen
und damit nicht altersgruppenspezifisch sein.
Kulturtechniken, Medienerziehung und Interkulturalität
Ein zentrales Anliegen der Ausstellung soll darin bestehen, gerade junge Menschen
wieder verstärkt zu allgemeinen Kulturtechniken, wie dem Lesen, dem Betrachten
und dem Zuhören,
hinzuführen. Sie versteht sich damit auch als Beitrag zur Medienerziehung.
Es wird ein Konvolut von Arbeitsblättern vorliegen, mit deren Hilfe man sich altersspezifisch
mit den Exponaten der Ausstellung auseinander setzen kann.
Auch sind Dichterlesungen vorstellbar, die das gedruckte Wort im Ton inszenieren.
Da ein Teil der Künstlerbücher aus anderen Sprachräumen kommt (Schwerpunkt: Russland),
bedeutet der Besuch der Ausstellung auch gleichzeitig die Auseinandersetzung mit anderen Sehweisen,
anderer Bildfindung, anderer Schrift, also einer unterschiedlichen kulturellen Normierung.
Vor diesem Hintergrund ermöglicht die Ausstellung damit auch die Einübung
toleranter Rezeptionsformen.
Die Sammlung
Die Ausstellung umfasst internationale Werke aus der Privatsammlung Reinhard Grüner
von den 60er Jahren bis zur Gegenwart, mit den Schwerpunkten 80er/90er Jahre,
Ostdeutschland und Russland. Es finden sich darunter Werke von Andy Warhol, Roy Lichtenstein,
Rupprecht Geiger, Carsten und Olaf Nicolai, Helge Leiberg, Michail Karasik und Sergei Yakunin
zu Texten von Walasse Ting, Christa Wolf, Günter Grass, Yoko Tawada und Daniil Charms.
Teile dieser Sammlung wurden bereits in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (München),
den ifa-Galerien Berlin und Bonn, dem Museum für angewandte Kunst (Gera)
und der Stadtbibliothek Germering gezeigt.
Reinhard Grüner, Juli 2003
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