Moderne Buchkunst seit 1960 - Eine private Sicht -  
   

Sergey Yakunin - Russland

E-Mail vom 09.02.2004

Originaltext

 

1. Ich nähere mich einem Text nur unter der Bedingung der Freiheit, nur so gelingt eine Verbindung mit dem Autor. Am Anfang kann man den Text überhaupt nicht verstehen. Er ist ein Geheimnis und die Arbeit mit dem Text ist noch einmal geheimnisvoller. Man kann nur mit Distanz zum Text arbeiten. Die Illustration gibt dem Text neuen Raum für Mitgefühl.

2. Die von Gott geschaffene Welt hat eine Form bekommen durch das Wort, aber nicht jeder Text braucht Illustration. Jeder Mensch kann als Mitautor Wort zum Leben erwecken. Die Intentionen des Malers richten sich darauf, Text und Bild als eine Einheit zu gestalten. Diese Verbindung kann unterschiedlich aussehen - vieles hängt von der Epoche ab und vom kulturellen Kontext. Wenn ich mit vor Augen halte, wie Dürer, Doré, Filonow oder Chagall mit literarischen Vorlagen umgegangen sind, werde ich es mir nicht erlauben über A. Platonov und Daniil Charms hinauszugehen.

3. Ich kann mich mit der modernen Zivilisation nur schwer identifizieren. Ich stelle mir vor, mich zwischen den Buchdeckeln eines Buches der Zeit vor Gutenberg zu verstecken. Im Künstlerbuch (Buch des Malers) bleibt für mich die Persönlichkeit erhalten. Die Zivilisation hat sich von den individuellen Verhältnissen entfernt, nach Meinung der Allgemeinheit und des Gesetzes und hat sie daraus metallene Druck-Buchstaben gegossen.