Moderne Buchkunst seit 1960 - Eine private Sicht -  
   

Uwe Warnke - Deutschland

E-Mail vom 17.02.2004

 

Lieber Reinhard!

Anbei findest du Lesenswertes zu den von dir provozierten Fragen. Es ist jeweils eine der möglichen Antworten; d.h., sie könnten alle auch ganz anders lauten. Die Versuche, dies zu beantworten, suggerieren, es könnte einfache und eindeutige Antworten geben. Dem ist nicht so.

 

1

Ich hatte in den 80er Jahren im künstlerischen Untergrund der DDR als Herausgeber erste Erfahrungen gesammelt. Das Ergebnis war eine illegal erscheinende Künstlerzeitschrift (ENTWERTER/ODER). Das Bestechende: sie bestand ausschließlich aus Originalen. Heterogenität der Techniken, der Mittel, der Papiere, der Aussagen. Das Gestaltungsprinzip hieß Assembling. Nachdem wir damit jahrelang experimentiert und das Produkt auch erfolgreich durchgesetzt hatten, war der Schritt zum Buch nur folgerichtig. Auch hier ging es nicht um das Bestätigen und Nachvollziehen ausgetretener Pfade. Das Buch mit seinen Konventionen und Gesetzen lud ein aber schloss ebenso vieles aus. Es immer wieder auf den Prüfstein zu stellen war ein Arbeitsprinzip. Das Prinzip Buch galt es uns immer wieder dienstbar zu machen. Dies war und ist ein Glücksumstand. Es infrage zu stellen, schließt dies mit ein.

2

Ein Text ist nicht Bedingung für ein Buch, - einerseits. Linearität ist wirklich nur eine der möglichen Dimensionen. Eine Textur, ein Rhythmus, eine Gestaltung kann sich aller Zeichensysteme bedienen. Die Schlüssigkeit am Ende beschreibt das Machbare.
Andererseits wird Text selbst längst zum Bild, wenn man so will. Die Ergebnisse liegen vor.
Sich zwischen diesen Möglichkeiten zu bewegen beschreibt meine Offenheit, kennzeichnet meine Überlegungen bei der Herangehensweise an ein neues Buchprojekt. Es gibt viele Wege zum Buch. Sie sind immer wieder neu zu überdenken und zu gehen. Grundsätzlich ist alles möglich. Gedankliches konzipieren ist wichtig. Bis zum Resultat ist es noch ein weiter Weg. Vieles entsteht dennoch spontan und unerwartet. Eben unterwegs, bei der Arbeit.

3

Das Verhältnis von Text und Bild lässt sich nicht allgemein durch ein Gesetz, eine Formel oder Rechenbeispiel beschreiben oder gar festlegen. Links die Grafik und rechts der Text und dann umblättern und links die Grafik und rechts der Text und dann umblättern und da capo al fine. Tausendfach durchexerziert bedient dies lediglich Erwartungshorizonte in seichten Gewässern. Dies ist der Teufelskreis der Langeweile des großen Handwerks. Das kann man natürlich so machen; angenehmer wäre es mir allerdings, diese Aussicht würde verlassen, infrage gestellt, erweitert. Dazu gehört Mut. Den nehme ich mir.